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Aus der ZeitschriftZStrR 4/2017 | S. 439–468Es folgt Seite №439

Strafzumessung ohne individuelle Tatschuld?

«Zwar glaubt heute fast niemand mehr so recht an das Dogma von der unverbrüchlichen Geltung des Kausalgesetzes; engagierte Deterministen sind selten geworden. Stattdessen haben wir in den vergangenen Jahrzehnten, gewissermassen zum Ausgleich, sehr viel über die Bedingtheiten menschlichen Handelns, gerade auch des sozial nicht angepassten Verhaltens, dazugelernt. Und vom philosophischen Beweis der Willensfreiheit ganz abgesehen, ist nur allzu deutlich geworden, dass sich der forensische Beweis der Entscheidungsfreiheit für einen bestimmten Menschen in der unwiederholbaren Situation seiner Tat niemals führen lässt.»

Günter Stratenwerth1

I. Entwicklungen im Strafzumessungsrecht

1. Am Anfang ein Desinteresse

Obwohl das (schweizerische) Strafzumessungsrecht für den Alltag der Justiz von jeher eine eminent hohe Relevanz aufweist, fristete es in der Wissenschaft während langer Zeit eine randständige Existenz. Die ältere Lehre kümmerte sich nur wenig um die Quantifizierung der Strafmasse und behandelte diesen Bereich dementsprechend…

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